Das Harmonische Netz
Das folgende Applet veranschaulicht, wie stark bestimmte Intervalle und bestimmte Töne in den verschiedenen Stimmungen von einer musikalischen Idealvorstellung abweichen. Vor den dazu notwendigen theoretischen Erklärungen soll zunächst die Funktionalität des Applets erläutert werden. Man kann:
- Töne durch Anklicken der Punkte spielen
- Intervalle (große Terz, Kleine Terz, Quinte) durch Anklicken der Striche spielen
- Akkorde (Dur, Moll) durch Anklicken der Dreiecke spielen
- An den Knöpfen kann man die Stimmung der Töne auswählen.
Die Verfärbungen geben an, wie stark die Töne bzw Intervalle “verstimmt” sind. Blau steht dabei für “zu tief”, Rot für “zu hoch”. Die Färbung der Kreise gibt die Abweichung von der gleichstufigen Stimmung an. Die Färbung der Kanten gibt die Verstimmung gegenüber einem reinen Intervall an. Waagrechte Striche sind idealerweise Quinten, senkrechte Striche große Terzen und schräge Striche kleine Terzen. Am Schieberegler kann man den Farbausschlag deutlicher machen.
Rein gestimmte Akkorde
In der Grundeinstellung sind alle Intervalle perfekt rein gestimmt. klickt man irgend einen der Akkorde oder eines der Intervalle an, erklingt ein Akkord bzw. Intervall in reiner Stimmung. Die Töne werden hierbei so oktaviert, dass sie in der gleichen Oktavlage sind (d.h. im Bedarfsfall wird die Frequenz halbiert, so dass alle Frequnez-Verhältnisse zwischen 1 und 2 liegen, d.H. die Töne liegen zwischen C und c). Hierbei tritt folgendes Problem auf: Betrachten wir eine Folge von 12 Quinten, beginnend bei einem Grundton mit Referenzfrequenz 1 (sagen wir das C). Die Quinte G erhält die Frequenz $3/2$. Die darauf folgende Quinte D erhält die Frequenz $(3/2)^2=9/4$. Um den Ton in die richtige Oktavlage zu bringen muss diese Frequenz noch halbiert werden also $9/8$. Die darauf folgende Quinte A erhält Verhältnis $9/8\cdot 3/2=27/16$. Der Reihe nach erhalten wir [ 1\rightarrow {3\over 2} \rightarrow {9\over 8} \rightarrow {27\over 16} \rightarrow {81\over 64} \rightarrow {243\over 128} \rightarrow {729\over 512} \rightarrow {2187\over 2048} \rightarrow {6561\over 4096} \rightarrow {19683\over 16384} \rightarrow {59049\over 32768} \rightarrow {177147\over 131072} \rightarrow {531441\over 524288} ] In einem System von zwölf Halbtönen sollte dies der Tonfolge [ C\rightarrow G \rightarrow D \rightarrow A \rightarrow E \rightarrow H \rightarrow F^\sharp \rightarrow C^\sharp \rightarrow G^\sharp \rightarrow E^\flat \rightarrow B^\flat \rightarrow F \rightarrow C ] entsprechen. Das heißt die Sequenz sollte sich eigentlich schließen. Dies kann allerdings nicht exakt aufgehen. Im Zähler der Verhältnisse stehen lauter Dreierpotenzen im Nenner lauter Zweierpotenzen. In solcher Quotient kann niemals 1 ergeben. Tatsächlich erhalten wir für das letzte Frequenzverhältnis [ {531441\over 524288} = {3^{12}\over 2^{19}} = 1.01364\ldots ] Das heißt der Ton ist geringfügig höher als das C von dem die Kette ursprünglich ausging. Der gleiche Effekt und die gleiche Verstimmung würde sich einstellen, egal von welchem Ton man startet. Im Applet kann man dies z.B. an der unteren Reihe von $F^\sharp$ bis $F^\sharp$ erkennen. Klickt man die beiden $F^\sharp$ an, stellt man fest, dass der Rechte ein wenig höher als der Linke ist. Die Farbwerte der Töne geben übrigens an, wie weit ein Ton von einer gleichstufigen Stimmung entfernt ist. Rot heißt dabei relativ zu hoch. Blau heißt relativ zu tief. Das C als Referenzton ist hierbei exakt eingestimmt. Noch extremer ist der Effekt bei einer Folge von Terzen. Drei Terzen hintereinander ausgeführt ergibt folgende Sequenz von Intervallen: [ 1\rightarrow {5\over 4} \rightarrow {25\over 16} \rightarrow {125\over 128} ] Eigentlich sollte dies einer Folge [ C\rightarrow E \rightarrow G^\sharp \rightarrow C ] entsprechen. Das letzte Intervall ist aber [ {125\over 64}={5^3\over 2^6}=1.9531\ldots ] und damit deutlich niedriger als das hohe c welches eigentlich den Faktor 2 haben sollte. Betrachtet man eine ganze Kette von reinen Harmonien, so kann dies zu beträchtlichen Abweichungen der Töne untereinander führen. Man vergleiche hierzu die drei $F^\sharp$ in den vier Ecken des hier dargestellten harmonischen Netzes. Das Netz kann natürlich in alle richtungen weiter fortgesetzt werden, wobei die Abweichungen zunehmend extremer werden.
Reine Stimmung
Wir haben gesehen, dass reine Akkorde zwangsläufig dazu führen, dass eigentlich identische Töne unterschiedlich gestimmt werden müssten. Wir wollen nun den anderen Weg gehen, uns auf exact zwölf Töne beschränken und beobachten wie sich dabei die Intervalle und Akkorde verstimmen. Beginnen wir mit der . Hier haben wir perfekte Akkorde für C Dur, F Dur und G Dur. Ebenso Perfekt sind A Moll, E Moll und H Moll. Die reine Stimmung wurde noch so um die verbleibenden fünf Töne (die schwarzen Tasten des Klaviers) ergänzt, dass dabei noch möglichst viele weitere reine Interalle entstehen (dies ist die so genannte erweiterte reine Stimmung). Man sieht (und hört) dass bei einer solchen Stimmung zwar in der Grundtonart recht befriedigend gespielt werden kann, sich aber doch erheblich Verschiebungen für viele andere Akkorde ergeben. Beispielsweise der E-Dur Akkord klingt in dieser Stimmung bereits sehr scharf verstimmt.
Pythagoräische Stimmung
Die benutzt als Grundlage die Reinheit der Quinten. In unseren vorherigen Überlegungen haben wir gesehen, dass dies nicht konsequent durchzuführen ist. Dem entsprechend entschiedet man sich in der pythagoräischen Stimmung dafür, dass 11 der zwölf Quinten rein sein sollen und die verbleibende Quinte eben verstimmt ist. Man sprich in diesem Fall von einer so genannten Wolfsquinte. In der Stimmung die wir gewählt haben tritt diese zwischen Fis und Cis auf (der entsprechende Dreiklang ist stark verstimmt). Bedingt durch die reinen Quinten sind, wie wir vorher schon bemerkt haben, die Terzen natürlich allesamt unrein und klingen für unsere Ohren als relativ scharf nach oben verstimmt. Es ist ein bemerkenswerter Zufall, dass in pythagoräischen Stimmung die A-Dur, E-Dur und H-Dur Akkorde verhältnismäßig rein gestimmt sind.
Mitteltönige Stimmung
Es gibt noch einen relativ interessanten musikalischen Kompromiss, der in der Aufführungspraxis für mittelalterliche Musik recht weit verbreitet ist: die mitteltönige Stimmung. In ihr sind die Dur-Akkorde mit den Grundtönen Es, B, F, C, G, D, A und E relativ rein gestimmt auf Kosten der verbleibenden Dur-Akkorde. Insbesondere basiert die mitteltönige Stimmung auf vielen reinen Terzen.
Gleichstufige Stimmung
Wie bereits erwähnt ist die die Stimmung die in der westlichen Kultur üblicherweise für Tasteninstrumente verwendet wird. In ihr sind die Tonabstände vollkommen gleich verteilt und die Oktave zerfällt in zwölf vollkommen identische Halbton-Schritte. Kein einziges Inerval ist hierbei rein gestimmt, dennoch ist der Gesamteindruck sehr ausgewogen, da alle Intervalle sehr gut angenähert werden. Der Fehler verteilt sich gleichmäßig auf alle Intervalle. Insbesondere eignet sich die gleichstufige Stimmung hervorragend zum Wechsel zwischen verschiedenen Tonarten, da auf jedem Ton vollkommen gleichberechtigt eine Dur- oder Moll-Tonleiter aufgebaut werden kann.