Geometrie und Topologie
Fakultät für Mathematik
Technische Universität München

Ornamentgruppen

Die Vielfalt der Ornamentgruppen ist mit unseren bisherigen Betrachtungen noch lange nicht erschöpft. Ornamentgruppen spielen eine sehr wichtige Rolle in der Festkörperphysik und werden deshalb auch oftmals als “Kristallographische Gruppen” bezeichnet.

Wir wollen kurz abgrenzen, was man genau unter einer solchen Ornamentgruppe versteht: Eine Ornamentgruppe ist eine Menge $G$ von geometrischen Transformationen, die zunächst einmal im mathematischen Sinne eine Gruppe ist, d.h. für zwei Transformationen $a,b\in G$ definieren wir die Hintereinanderausführung $a \circ b$ als Verknüpfung. Diese Verknüpfung muss die folgenden drei Axiome erfüllen:

  • Es gibt ein neutrales Element $e\in G$, d.h. für alle $a\in G$ gilt $a\circ e=a$
  • Es gibt zu jedem Element $a\in G$ ein inverses Element $a^{-1}$, d.h. es gilt $a\circ a^{-1}=e$
  • Die Verknüpfung ist assoziativ, d.h es gilt $a\circ (b\circ c)=(a\circ b)\circ c$

Diese Eigenschaften sind bei geometrischen Transformationen automatisch erfüllt, wenn man darauf achtet, dass zu jeder Transformation auch automatisch die Umkehrabbildung in der Gruppe enthalten ist, und wenn darüber hinaus zu jedem Paar von Transformationen automatisch deren Verknüpfung (die ja wieder eine Transformation ist) in der Gruppe enthalten ist.

Weiterhin müssen für Ornamentgruppen noch die folgenden Bedingungen erfüllt sein:

  • Es müssen mindestens zwei Verschiebungen in verschiedenen Richtungen vorliegen.
  • Es dürfen nur größen-erhaltende Transformationen verwendet werden (also die Kongruenzabbildungen: Rotation, Spiegelung, Verschiebung und Gleitspiegelung).
  • Bildet man einen Punkt der Ebene mit allen Elementen der Gruppe ab, so darf in einer hinreichend kleinen Umgebung des Originalpunktes kein vom Originalpunkt verschiedener Bildpunkt landen.

Die erste Bedingung sorgt dafür, dass die Gruppe die ganze Ebene überdeckt. Die zweite Eigenschaft schließt Verkleinerungen, Vergrößerungen und Kreisinversionen aus. Die dritte Eigenschaft sorgt dafür, dass die Operationen untereinander “gut aufgehen” - Punkte sollen nicht beliebig wild durcheinander gewürfelt werden.

So wie sich bei den Dreieckskaleidoskopen nur drei verschiedene Möglichkeiten ergaben, gibt es auch bei den Ornamentgruppen nur endlich viele nicht strukturgleiche solche Gruppen: Es sind genau 17 Stück.

Von diesen 17 Gruppen kennen wir bereits 5:

  • Die Gruppe, in der es nur die zwei Translationsrichtungen gibt,
  • Die Gruppe mit dem rechtwinkligen Spiegelkasten
  • und die drei Kaleidoskopgruppen.

Wir wollen nicht alle 12 verbleibenden Gruppen hier vorstellen, aber dennoch Repräsentationen von ein paar besonders schönen Vertretern hier zeigen. Das folgende Applet zeigt Dr. Stickler wie er durch diverse Ornamentgruppen über die Ebene kopiert wird. Man kann zwischen den verschiedenen Gruppen durch Knopfdruck wechseln. Dr. Stickler ist wie immer an seinen Füßen bewegbar (am linken Fuß kann man ihn diesmal als Ganzes bewegen)

Einen sehr kreativen Umgang mit Ornamentgruppen gestattet das hier verlinkte Ornamentprogramm. Dies Programm wurde von Martin von Gagern für die Mathematikausstellung ix-quadrat der TU München geschrieben. In dem Programm kann man eine der Ornamentgruppen auswählen und mit der Maus in dieser Gruppe Zeichnungen erstellen. Die hierbei entstehendenn Bilder haben einen sehr hohen ästhetischen Reiz.